Noch fühlt sich der Westhafen in Berlin nicht ganz wie ein Heimathafen an. Solch ein unkonventionelles Leben hatte Michelle zuvor mit Menschen wie der Kelly Family assoziiert, aber sie wollte ihr Kind doch gerne ganz normal aufwachsen lassen und außerdem stammt sie aus Lüdenscheid, dort ist man bodenständig und das geliebte Bayern ist auch weit weg. Das Hausboot macht in der Nacht ungewohnte Geräusche, aber Angst vor dem Winter auf dem Wasser hat Michelle nicht. Sie hat ihr Boot im letzten Winter kennengelernt und findet, das Eis rundherum macht den Winter so anschaulich, romantisch und hat etwas sinnliches. Sie übt ihre Liebe zur neuen Umgebung noch. Entspannen kann sie hier und abschalten auf dem Wasser, will an Deck eine Yogalounge bauen, sie mag ihre Nachbarn, die Schwäne und vorne am Eingang auf dem Anlegeplatz wird sie den Elefanten aus LILIANE SUSEWIND aufstellen. Da weiß man dann gleich wer hier wohnt, denn ihr Mann ist der Autor und Regisseur Joachim Masannek.
Es war ein Sommer der Herausforderungen. Während der Dreharbeiten von LILIANE SUSEWIND war Michelle viele Wochen von ihrem Mann getrennt, der den Film in Aachen gedreht hatte und sie in München VENUS IM VIERTEN HAUS, bis sie dann auch nach Aachen dazukam. Nun muss die Filmfamilie sesshaft werden, die Tochter wurde grade eingeschult. In Berlin Mitte, in eine internationale Schule, es gibt viele Nationalitäten, die Atmosphäre ist da herzlich und weltoffen.
Minimalistisch leben ist jetzt angesagt. Man bekommt den Blick für das wesentliche, wenn man einen verrückten Mann hat, der einen plötzlich auf ein Hausboot setzt. Vieles, was sich im Münchner Haus in 10 Jahren angesammelt hatte flog raus, Michelle hat ein halbes Jahr lang ausgemistet, zu viel von dem was man nicht wirklich braucht kann erdrücken.
Sie erlebt die Menschen hier als sehr offen. Berlin ist mehr Hippie als München. Ihre Oma in Lüdenscheid hat gesagt, dass alle Menschen gleich sind. Das ist natürlich ein hübscher Traum, aber zumindest gehören hier in Berlin die Obdachlosen zum öffentlichen Leben, in München wird Armut vertuscht und versteckt. Gestern hat sie einen Mann in der U-Bahn gesehen, der Querflöte spielte und sich bedankte, obwohl er kaum Geld bekommen hatte. In Bayern ist musizieren in der Bahn verboten.