Tabus gibt es für René Sydow nicht. Zumindest nicht kabarettistisch betrachtet. Er verpackt alles in geistreiche, wortgewandte Comedy, was ihm wichtig und unterhaltsam erscheint und ihn thematisch fordert. Einzelne dumme Menschen oder Parteien fallen bei ihm allerdings bewusst durchs Raster. Wie die AfD zum Beispiel. „Zu denen fällt mir einfach nichts ein“, stellt Sydow fest. Zum aktuellen Bildungsnotstand in Deutschland dafür umso mehr. In seinem neuen Programm, „Die Bürde des weisen Mannes“ mit dem er ab März 2018 auf Tour gehen wird, geht er der Frage nach, was uns zum Menschen macht: Bildung? Wahlrecht? Oder doch nur freies WLAN? Zum Schreien traurig und schockierend lustig. Dunkel und hoffnungsvoll. Politisches Kabarett auf der Höhe der Zeit. „Ich lese die ganze Zeit, sammele Wörter, Begriffe und Sätze. Ich habe so viel Material zu diesem Irrsinn, dass ich daraus unbedingt ein Programm machen wollte.“ Während er daran noch schreibt und feilt, ist der erfolgreiche Kabarettist weiter mit seinem aktuellen Programm „Warnung vor dem Munde!“ auf Tour. Eine brillante Abrechnung mit dem Wahnsinn in Politik und Fernsehen. Messerscharf analysiert und gekonnt seziert.
René Sydow ist ein Perfektionist. Jede Nuance seines Programms, jede Betonung und Bewegung ist durchdacht und wird so präzise geprobt, dass er auf der Bühne mit einer derart spielerischen Leichtigkeit durch den Abend führen kann, als wäre ihm die ein oder andere Pointe gerade erst eingefallen. Dabei ist Stand-Up Comedy für den gelernten Schauspieler eine Kunstform, vor der er sich mit Ehrfurcht verneigt, die er sich selber aber nicht zutraut. „Ich habe es versucht, aber ich kann das einfach nicht. Bei mir muss es ins Literarische gehen, ich möchte Wortspiele machen. Spontan geht das nicht.“ Aber Witze gehen immer. Mittlerweile wird jeder auch noch so dumme Witz auf seine Verwertbarkeit hin überprüft. Was im kleinen Kreis gut ankommt, könnte auf der Bühne ja der nächste Brüller werden. „Eigentlich schade, denn früher konnte ich stundenlang einfach Quatsch reden, jetzt guck ich direkt, ob der Quatsch auch bühnentauglich ist“, stellt der Kabarettist mit einem zwinkernden Auge fest.
René Sydow liebt seinen Beruf genauso wie er ihn lebt: mit allen Sinnen und ganzer Hingabe. Dabei hatte er es gar nicht darauf angelegt, erfolgreicher Kabarettist zu werden, obwohl er neben dem Filmemachen und Bücher schreiben schon gefeierter Poetry-Slammer war, um genau zu sein, Vizemeister im Poetry-Slam für den deutschsprachigen Raum. Trotzdem war René Sydow selber gar nicht auf die Idee gekommen, dass er mit dem, was er dort in Kurzform auf der Bühne machte, das Publikum auch in längerer Form begeistern könne. Seine Frau gab ihm den Anstoß, sich doch auch mal für einen Kabarett-Wettbewerb anzumelden. Gesagt, getan und gesiegt: Gold und der Publikumspreis für René Sydow! Volltreffer. Von da an sprangen die Sieger-Tierchen nur so in seinen Kabarett-Garten: 14 Titel in drei Jahren. Das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Die zwei größten Trophäen für deutschsprachiges Kabarett stehen aber noch aus: der Salzburger Stier und der deutsche Kleinkunstpreis. Vielleicht erspielt er sich die ja mit seinem neuen Programm. Aber die Tierchen-Sammlung an sich ist nicht René Sydows alleiniger Ansporn. Er möchte in erster Linie von Programm zu Programm besser werden. Und wenn er davon dann auch noch leben kann, ist er der glücklichste Kabarettist, den Deutschland kennt!